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Blue Zones: Die Ernährung der 100-Jährigen und was wir daraus lernen können

  • Autorenbild: Sonja Zomer
    Sonja Zomer
  • 3. Dez. 2023
  • 14 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 15. Dez. 2023

Der Wunsch, lange und gesund zu leben, ist so alt wie die Menschheit. Aber wie macht man das? Was sind die Geheimnisse der Menschen, die überdurchschnittlich alt werden? Kann man selbst etwas daraus lernen?


Es gibt Regionen auf der Welt, in denen auffällig viele der ältesten und gesündesten Menschen leben. Dort werden die Bewohner überdurchschnittlich alt und sie bleiben zudem weitestgehend von den uns bekannten Zivilisationskrankheiten verschont. Das hat nicht nur die Wissenschaft angelockt, auch in der öffentlichen Diskussion tauchen die sogenannten Blue Zones seit vielen Jahren regelmäßig wieder auf.


„Blue Zones“ – Die blauen Zonen – Was ist das?


Der US-amerikanische Wissenschaftsjournalist Dan Buettner stellte den Begriff und das Phänomen der Blue Zones im Jahr 2005 erstmals einer breiten Öffentlichkeit vor. In seinem im Magazin National Geographic erschienenen Artikel „The Secrets of a Long Life“ (Die Geheimnisse eines langen Lebens) berichtete er von den Ergebnissen seiner Besuche und den anschließenden Untersuchungen. Mit einem großen Team aus Anthropologen, Genetikern, Historikern und nicht zuletzt Ernährungswissenschaftlern hatte er vorher die Lebensgewohnheiten der Menschen in den Blue Zones erforscht.


Blue Zones werden definiert als Gebiete mit einer hohen Dichte an über 100-Jährigen und einem bemerkenswerten Ausbleiben von chronischen Beschwerden oder Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen. Aus der Langlebigkeitsforschung wissen wir mittlerweile, dass es nur zu ca. 10% von den Genen abhängt, wie alt wir werden. Viel maßgeblicher sind die Umweltbedingungen und unser Lebensstil einschließlich der Ernährung. Ein Grund mehr, die Blue Zones genauer anzuschauen.


Durch die in Deutschland im August 2023 veröffentlichte Netflix-Serie „Wie wird man 100 Jahre alt? Die Geheimnisse der Blauen Zonen“ (übrigens eine klare Empfehlung von mir für alle, die eine Kombination aus Emotionen, Humor und lehrreichem Anschauungsmaterial für ein gesünderes Leben mögen) hat der Hype um die Blue Zones neue Nahrung bekommen. Man findet seitdem noch mehr Artikel, Kommentare und Ratgeber zum Thema, sogar Blue Zones Rezept- und Kochbücher und eine Blue Zones Diät.


Wo genau befinden sich die blauen Zonen?


Dan Buettner und sein Team haben sich auf fünf Regionen konzentriert, in denen die statistischen Auffälligkeiten bei der Lebenserwartung frappierend waren. Übrigens, die Zonen werden „Blaue Zonen“ genannt, weil Buettner im Verlauf seiner Arbeit begonnen hatte, die Regionen auf der Weltkarte blau zu kennzeichnen.


Weltkarte mit den fünf Blauen Zonen, wo Menschen viel älter werden als anderswo auf der Welt

Die untersuchten Blauen Zonen liegen alle in subtropischen bis tropischen, also warmen Regionen, d.h. die Bewohner sind im Durchschnitt sehr viel Sonnenlicht ausgesetzt. Ein Mangel an Vitamin D (der vor allem durch zu wenig direktes Sonnenlicht auf der Haut entstehen kann) ist somit praktisch ausgeschlossen.


Die Blauen Zonen sind geografisch relativ isolierte Orte auf Inseln, Halbinseln, in Berggebieten oder Kleinstädten. Eine weitere Gemeinsamkeit ist der Lebensstil der Einwohner, der geprägt ist von Traditionen und einer Verpflichtung gegenüber der jeweiligen Gemeinschaft. Die Menschen leben vorwiegend auf ihren eigenen Farmen oder Ländereien und üben naturnahe Berufe wie Bauer, Hirte oder Fischer aus. Ständige moderate Bewegung und viel Zeit an der frischen Luft sind dadurch sichergestellt. Oft bauen die Bewohner ihre Lebensmittel selbst an und leben vergleichsweise autark. Verarbeitete Lebensmittel kommen selten oder fast nie auf den Tisch. Gegessen wird, was in der eigenen Umgebung wächst oder gefangen werden kann.


Die Begleiterscheinungen einer industriellen und technisierten Welt wie Umweltverschmutzung, Lärm, Verkehr, Smog, künstliche Beleuchtung, Stress und Zeitdruck sind kaum oder gar nicht vorhanden. Der Zugang zu sauberem Wasser stellt trotzdem kein Problem dar, auch eine medizinische Grundversorgung ist stets gegeben.


Okinawa, Inselgruppe vor der Küste Japans


Okinawa ist unter anderem deshalb zu einer blauen Zone geworden, weil hier die weltweit ältesten Frauen leben. Bei einem genaueren Blick auf die Lebensgewohnheiten auf Okinawa sind es die folgenden Faktoren, die zu einer weit überdurchschnittlich höheren Lebenserwartung führen.


Natürlich das Essen: Die traditionelle okinawanische Ernährung ist reich an Gemüse, Obst, Fisch und magerem Fleisch. Sie enthält wenig gesättigte Fette und Zucker. Diese Ernährungsweise ist mit einem niedrigen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und anderen altersbedingten Krankheiten verbunden. Außerdem folgen Sie seit Generationen der konfuzianisch inspirierten Weisheit „Hara hachi bu“, was so viel bedeutet wie „Höre auf zu essen, wenn dein Magen zu 80 Prozent gefüllt ist“. Der daraus resultierende maßvolle Genuss beim Essen ist offensichtlich gesundheitsfördernd.


Totem auf Okinawa, Japan, eine der fünf Blauen Zonen

Die Menschen auf Okinawa sind in der Regel körperlich aktiv und betreiben regelmäßig Bewegung wie Gartenarbeit, Spaziergänge oder traditionelle Tänze. Dies trägt ebenfalls zur Aufrechterhaltung einer guten körperlichen Gesundheit bei.


Okinawa hat zudem eine starke Gemeinschaftsstruktur, in der ältere Menschen oft von ihren Familien unterstützt werden und soziale Kontakte pflegen können. Dieses soziale Netzwerk kann zu einem Gefühl der Zugehörigkeit und des Wohlbefindens beitragen. Eine positive Lebenseinstellung und ein ungebrochener Optimismus fördern eine Stressbewältigung, die durch Meditation oder Yoga unterstützt wird.


Viele alte Menschen auf Okinawa haben bis zu ihrem Lebensende noch eine Aufgabe, die sie erfüllen und die sie erfüllt. Auch hierfür gibt es mit „Ikigai“ einen von Okinawa in die Welt getragenen Begriff, der übersetzt „Wert des Lebens“ oder besser „Wofür es sich lohnt zu leben“ bedeutet. Viele Okinawaner zählen sich selbst zu den glücklichsten Menschen auf der Welt. Dem eigenen Leben einen Sinn zu geben und so zu absoluter Erfüllung und Zufriedenheit zu gelangen, gilt als höchstes Ziel. Dazu passt, dass es für unsere Worte „Rente“ und „Ruhestand“ keine exakte japanische Übersetzung auf Okinawa gibt.


Ikaria, Griechenland - Insel in der Ägäis, einem Nebenarm des Mittelmeers


In der östlichen Ägäis nahe der türkischen Küste liegt Ikaria, eine bergige Insel mit ca. 8.000 Einwohnern und weltweit einer der niedrigsten Sterblichkeitsraten im mittleren Alter. Das Forscherteam um Buettner sieht vor allem die mediterrane Ernährung mit viel Gemüse, Olivenöl und Fisch als wichtigen Einflussfaktor für die lange Lebenserwartung.


Andererseits sind viele Bewohner selbst der Überzeugung, dass neben sauberem Wasser und viel Bio-Gemüse auch der ständige Wind vom Meer sehr gesund ist. Andere betonten das Gemeinschaftsgefühl und den herzlichen Umgang miteinander auf der Insel.


Die Menschen sind lebensfroh, offen, warmherzig und unterhalten sich regelmäßig und viel. Seit dem Mittelalter eilt ihnen der Ruf voraus, echte Überlebenskünstler zu sein. Früher mussten sie sich in den Bergen verstecken und hinter Felsen tarnen, um der Piraterie zu entgehen. Diese Kunst der Gelassenheit und Ruhe scheinen die Menschen auf Ikaria sich bis heute bewahrt zu haben. Sie haben einen eigenen Lebensrhythmus entwickelt und lassen sich nicht von außen beeinflussen oder beeindrucken.


Provinz Ogliastra auf Sardinien, Italien - die zweitgrößte Insel im Mittelmeer


In der Provinz Ogliastra auf Sardinien leben die ältesten Männer der Welt. Bis ins hohe Alter arbeiten viele von Ihnen als Hirten oder in der Landwirtschaft. Befragt nach dem Geheimnis nennen die Einwohner hauptsächlich eine gesunde Ernährung. Auf den Tisch kommen überwiegend pflanzliche Lebensmittel wie zum Beispiel Bohnen, Getreide, Gemüse, Kartoffeln, Omega-3-reiche Nahrungsmittel sowie fetthaltige Milchprodukte.


Provinz Ogliastra auf Sardinien, eine der fünf Blauen Zonen

Die Menschen in Ogliastra leben weitestgehend in kultureller Isolation, so dass sie ihren traditionellen und gesundheitsbewussten Lebensstil ungestört beibehalten können. Ihren Lebensunterhalt verdienen sie nach wie vor mit Jagen, Fischen und der Ernte ihrer Felder. Der Zusammenhalt innerhalb der Familie ist sehr groß.


Zudem ist der Respekt vor den Ältesten in der Gesellschaft stark ausgeprägt. Das Ansehen innerhalb der Gemeinschaft steigt mit dem Alter. Das Glas Rotwein gehört dabei ebenso zum Alltag wie die regelmäßige Bewegung, körperliche Arbeit und gemeinsames Lachen. Die Region ist die bevölkerungsärmste und zugleich eine der langlebigsten Regionen in Italien mit der in Relation größten Anzahl an 100-Jährigen, viele von ihnen Männer.


Nicoya, Costa Rica - Halbinsel am Pazifischen Ozean


Eine weitere Blue Zone liegt auf dem amerikanischen Kontinent in Costa Rica. Dort werden überdurchschnittlich viele Einwohner älter als 90 Jahre und eine 60 Jahre alte Person wird im Landesvergleich mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit 100 Jahre alt oder älter. Auch in Nicoya haben Wissenschaftler die Ernährung der Einwohner als entscheidend für den gesunden Lebensstil identifiziert. Auf der Speisekarte stehen viel Obst und Gemüse, verarbeitete Lebensmittel gibt es kaum und es wird in Maßen gegessen.


Das in Nicoya verfügbare Trinkwasser ist reich an Calcium und Magnesium und soll so vor Herzkrankheiten schützen und starke Knochen fördern. Wie in anderen Blue Zones auch ist das gesellschaftliche Leben dort sehr intensiv. Man trifft sich regelmäßig im Freundes- und Familienkreis, generationenübergreifend mit Kindern und Enkelkindern.


Auch Menschen über 90 oder 100 werden regelmäßig besucht und sind voll in das soziale Gefüge integriert. Viele alte Menschen folgen einem „Plan de Vida“, einem selbst aufgestellten Lebensplan, der sie bis ins hohe Alter motiviert und aktiv hält, ganz ähnlich wie auf Okinawa.


Loma Linda, Kleinstadt in Kalifornien (USA) – Heimat einer Siebenten-Tags-Adventisten-Gemeinde (protestantische Religionsgemeinschaft)


Die Umweltbedingungen in der Kleinstadt Loma Linda im Süden von Kalifornien unterscheiden sich erheblich von den anderen Blue Zones, dennoch ist die Lebenserwartung dort ebenfalls deutlich höher. In Loma Linda leben viele Mitglieder einer Freikirche - der Siebenten-Tags-Adventisten. Seit über 40 Jahren wird im Rahmen einer adventistischen Gesundheitsstudie bereits erforscht, ob es einen Zusammenhang zwischen der typisch adventistischen Ernährung der Mitglieder und ihrer Lebenserwartung gibt, die vier bis zehn Jahre höher ist als im kalifornischen Durchschnitt.


Die AdventistInnen ernähren sich natürlich und pflanzlich. Aus Sicht der Wissenschaftler führt dies zu einer deutlich niedrigeren Wahrscheinlichkeit für chronische Volkskrankheiten (lifestyle deseases) wie Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes oder Krebs. Die Menschen selbst heben ihren Glauben hervor und sind davon überzeugt, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen ihrem gelebten Glauben und der Lebenserwartung gibt.


In zahlreichen Studien wird dieser Zusammenhang bestätigt, oft aber als indirekt verifiziert. Demnach sei der gelebte Glaube wiederum dafür verantwortlich, dass Menschen sich gesünder ernähren und mehr Zeit in Gemeinschaft verbringen, was in der Folge lebensverlängernd wirkt.


Warum leben die Menschen in den blauen Zonen länger als anderswo auf der Welt?


Wir haben einiges gelernt über das Leben in den fünf Blue Zones. Alle unterscheiden sich in Details und Besonderheiten, aber dennoch gibt es viele Gemeinsamkeiten. Buettner hat im Rahmen seiner Untersuchungen neben der Ernährung – auf die wir gleich noch ausführlicher eingehen werden – drei weitere, wesentliche Einflussfaktoren herausgearbeitet, die das Leben in den Blue Zones auszeichnet. Hierin liegt – wenn man so will – ein „Geheimnis eines langen Lebens“ und eine erste Antwort auf die am Anfang des Blog-Artikels gestellte Frage.


Viel natürliche Bewegung (move naturally)


Ein Schlüssel für die Menschen in den blauen Zonen ist regelmäßige, moderate Bewegung als fester Bestandteil der Tagesabläufe. Fitness-Studios gibt es keine, für einen Marathon trainiert auch niemand und Home-Trainer stehen nicht im Wohnzimmer rum. Man geht zu Fuß einkaufen oder Freunde besuchen, benutzt Treppen, arbeitet im Garten, ist grundsätzlich viel an der frischen Luft und körperlich aktiv bis ins höchste Alter.


Familiäre Verbindungen und soziale Netzwerke (connect)


Für viele Hundertjährige steht die Familie an erster Stelle. Traditionelle Rituale in Familien oder bei Festen werden aufrechterhalten. Oft leben mehrere Generationen in unmittelbarer Nähe, Großeltern und Enkelkinder sehen sich fast täglich. Der familiäre Zusammenhalt ist groß, gegenseitige Unterstützung und ein ehrliches Zugehörigkeitsgefühl sind die Basis des Familienlebens.


Aber nicht nur innerhalb der Familien, auch in Freundeskreisen, Gemeinden oder Vereinen wird ein enges Miteinander gepflegt. Diese sozialen Netzwerke sind intensiv, ausgleichend und ebenso langlebig wie die Menschen selbst. Freundschaften dauern oft ein Leben lang. Auf Okinawa gibt es z.B. sogenannte „Moais“, Gemeinschaften von fünf Freunden, die sich ein Leben lang begleiten.


Studien unterstreichen die Bedeutung der sozialen Umgebung auf das eigene Wohlergehen. Es scheint erwiesen, dass Glücksgefühle bzw. Zufriedenheit innerhalb sozialer Gruppen übertragen werden können. Dies kann wiederum Auswirkungen auf die mentale Gesundheit haben. In den blauen Zonen sind kaum Fälle von Depressionen bekannt geworden, die Resilienz der Menschen dort ist hoch.


Lebenszweck und ein effektives Stressmanagement (outlook)


Wenn man weiß, wofür es sich lohnt, jeden Morgen aufzustehen, geht vieles leichter von der Hand. Die Menschen in den blauen Zonen sehen einen Sinn in ihrem Leben, sie folgen einer Bestimmung oder haben eine genaue Vorstellung davon, was ihnen guttut und womit sie auch im hohen Alter ihre wertvolle Zeit verbringen möchten.


Ob ein solches Lebensziel (Ikigai auf Okinawa) oder ein klarer Lebensplan (Plan de Vida in Nicoya), das Streben nach Glück und Erfüllung wird in die eigenen Hände genommen und sorgt für psychische und damit körperliche Stabilität und Ausdauer.


Stress löst chronische entzündliche Prozesse im Körper aus, die mit zahlreichen alters- aber auch zivilisationsbedingten Erkrankungen in Verbindung stehen. Sicherlich sind auch die Bewohner der blauen Zonen stressigen Situationen ausgesetzt. Sie verstehen es aber, über gelernte Routinen und ein effektives Stressmanagement die körperlich-mentalen Folgen von Stress zu minimieren oder auszuschließen. Pausen gehören zum Alltag dazu, Zeitdruck wird - wo immer möglich - nicht zugelassen. Ein kurzes Gedenken an die Verstorbenen, ein Mittagsschlaf, ein Gebet, eine kürzere oder längere Auszeit zwischendurch, eine soziale Happy Hour am späten Nachmittag, in den blauen Zonen weiß man „sich herunterzufahren“.


Was zeichnet die Ernährung in den blauen Zonen allgemein aus?


Wenden wir uns der Ernährung in den Blue Zones zu, die erwartungsgemäß einen ganz entscheidenden Faktor für die Langlebigkeit der Bewohner darstellt. Es gibt auch bei der Ernährung bemerkenswerte Gemeinsamkeiten in allen untersuchten Regionen.


Die Ernährung in den Blue Zones kann als ausgewogen und nicht übermäßig beschrieben werden. Natürliche, saisonale und regionale Produkte bilden die Grundlage der Ernährung. Oft werden die eigenen Lebensmittel selbst angebaut. Eine breite Palette an frischem Obst und Gemüse voller gesundheitsfördernder Nährstoffe steht auf dem Speiseplan. Interessanterweise sind Hülsenfrüchte (v.a. Bohnen) in unterschiedlichster Form eine immer wiederkehrende Zutat in allen untersuchten Regionen.


Vollkorngetreide und Hülsenfrüchte werden in den blauen Zonen aufwendig zubereitet. Das Fermentieren insbesondere von Gemüse als traditionelle Methode zur Haltbarmachung und Zubereitung gehört zum festen Repertoire in den Küchen. Fleisch wird eher selten und in überschaubaren Mengen verzehrt. Die Gerichte werden traditionell zubereitet. Die Hauptmahlzeit wird in der Regel mittags verzehrt, Frühstück und Abendessen setzen sich aus kleineren Portionen zusammen. Fertiggerichte, Fast-Food und raffinierten Industriezucker sucht man vergebens, genauso wie Softdrinks und andere zuckerhaltige Getränke.


In der Blue Zone von Loma Lima in Kalifornien sind mit einem Anteil von über 60 Prozent Obst und Gemüse das Fundament der Nahrung. Hinzu kommen Hülsenfrüchte, Nüsse, Samen und Milchprodukte. Viele Adventisten sind Vegetarier, obwohl Fleisch religiös betrachtet erlaubt wäre. Die Glaubensgemeinschaft rät vom Konsum alkoholischer Getränke sowie von Tabak ab.


Auf den Okinawa-Inseln in Japan gestaltet sich das Essen ebenfalls vielfältig und saisonal. Neben Gemüse (u.a. die bei uns wenig bekannten purpurfarbenen Süßkartoffeln) und Früchten werden Reis, Tofu, Algen und geringe Mengen an Fisch und Fleisch verarbeitet. Grüner Tee wird praktisch täglich getrunken und bei den Gewürzen nutzt man vor allem Ingwer und Kurkuma.


Ein ähnliches Bild zeigt sich in den Bergen Ikarias in Griechenland. Die Bewohner ernähren sich ausgewogen, mediterran und vorwiegend pflanzlich, d.h. viel Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Olivenöl und manchmal Fisch.


In Ogliastra auf Sardinien werden vermehrt Vollkorn- und Milchprodukte verzehrt, insbesondere Sauerteigbrot. Aber auch hier wieder Gemüse aller Art, frischer Fisch und Fleisch nur in maßvollen Mengen.


Die Bewohner der Nicoya-Halbinsel in Costa Rica essen Hülsenfrüchte, Gemüse, Reis, Eier und geringe Mengen an Fleisch, zudem - ähnlich wie in Sardinien – häufig auch Vollkorn- und Milchprodukte.


Wie können wir unser eigenes Essverhalten auf die Ernährung in den Blue Zones anpassen?


Das Team der Blue Zones Forscher um Dan Buettner hat als Quintessenz ihrer Untersuchungen in den Blue Zones 11 Regeln für eine lebensverlängernde Ernährung formuliert, die wir relativ einfach auch auf unsere regionalen Gegebenheiten anpassen können, wenn wir denn wollen. Die wichtigsten Erkenntnisse sind hier zusammengefasst. Wer noch tiefer einsteigen möchte in die Blue Zones Ernährungsregeln, kann sich den Original-Artikel von Buettner (allerdings nur auf Englisch) ansehen.


1. Sorgen Sie dafür, dass 90 bis 95 Prozent ihrer Ernährung pflanzenbasiert ist


Eine überwiegend pflanzenbasierte Ernährung setzt sich vor allem zusammen aus Gemüse in allen Variationen, grünes und buntes Blattgemüse (z.B. alle Kohlsorten, Spinat, Mangold, Salate), Wurzelgemüse (z.B. Rüben, Kohlrabi, Pastinaken, Rote Beete), einer Vielfalt an Obst und Früchten, Getreide idealerweise aus vollem Korn, Hülsenfrüchten (z.B. Bohnen, Linsen, Kichererbsen) und Kräutern. Beim Kochen sollten hochwertige pflanzliche Öle (z.B. Olivenöl) genutzt werden. Heimische Kräuter und Gewürze dienen dabei nicht nur zum Aromatisieren des Essens, sondern besitzen auch Heilkräfte.


2. Reduzieren Sie den Fleischkonsum


Fleisch steht – wenn gewollt – nach wie vor im Ernährungsplan, die Mengen und die Häufigkeit sind aber deutlich reduziert. Einmal bis maximal zweimal in der Woche kann Fleisch demzufolge auf den Teller, auf eine kleine Portion (ca. 50 Gramm) begrenzt. Fleischhaltige Mahlzeiten könnten zu besonderen Anlässen an bestimmten Tagen zubereitet und entsprechend zelebriert werden. Bei der Auswahl des Fleisches sollte auf eine artgerechte Tierhaltung geachtet werden. Verarbeitetes Fleisch aus industrieller Produktion sollte vermieden werden.


Buettner selbst betont beim Thema Fleisch aber auch, dass sich die Wissenschaftler nicht sicher sind, ob der maßvolle Fleischkonsum in den blauen Zonen einen Anteil an der Langlebigkeit der Bewohner hat, oder ob die ansonsten sehr gesundheitsfördernde Ernährung den gelegentlichen Genuss einer Portion Fleisch „verziehen hat“.


3. Fisch ist völlig in Ordnung


Auch beim Fisch spielt das Maß eine wesentliche Rolle. Zwei bis drei Mahlzeiten pro Woche können gemäß den Ernährungsgewohnheiten in den blauen Zonen Fisch enthalten, allerdings auf Portionsgrößen deutlich unter 100 Gramm begrenzt. Ökologische Aspekte, wie die Herkunft der Fische, Fanggebiete und Fangmethoden sollten bei der Auswahl der Fischsorten berücksichtigt werden. Überfischung, intensive Aquakulturen und die Verschmutzung der Gewässer erschweren hier die richtige Wahl.


4. Reduzieren Sie Milchprodukte auf ein Minimum


Lebensmittel aus Kuhmilch werden in den blauen Zonen kaum verzehrt. Wenn Milchprodukte, dann meist aus Ziegen- oder Schafsmilch, oft in Form von Ziegenkäse (Feta) oder Schafskäse (Pecorino, Manchego), aber auch in fermentierter Form als Joghurt oder Sauermilch. Bei heimischen Kuhmilchprodukten sollte man - wenn möglich - darauf achten, dass Rohmilch aus Bio-Landwirtschaft verarbeitet wurde.


5. Ab und zu ein Ei


Eier sind in den Blue Zones meist eine Beilage zu einem vollwertigen Essen, eingerollt in eine Tortilla, gekocht in einer Suppe oder gebraten zum Frühstück. Die Empfehlung lautet, nicht mehr als drei Eier pro Woche zu essen, vorzugsweise lokale Bio- oder Freiland-Eier.


6. Eine Portion Hülsenfrüchte am Tag


Hülsenfrüchte wie Bohnen oder Linsen sind ein Eckpfeiler der Ernährung in allen untersuchten Blue Zones. Die Menschen dort verzehren bis zu viermal so viele Hülsenfrüchte wie die Bevölkerung in anderen Regionen. Hülsenfrüchte sind eine Art Superfood der Blue Zones mit einer idealen Nährstoffzusammensetzung für ein lange anhaltendes Sättigungsgefühl. Mit durchschnittlich 21% Proteinen, 77% komplexen, langkettigen Kohlenhydraten und nur ein paar Prozenten Fett bringen sie Energie und Kraft.


Seit über 8.000 Jahren essen Menschen Hülsenfrüchte wie Bohnen. Sie scheinen Teil unserer kulinarischen DNA zu sein. In allen Kulturen findet man sie als elementare Beilage. In Asien als Mungobohnen und Sojabohnen (Tofu), im Nahen Osten als gelbe Linsen und Kichererbsen, in Italien und Griechenland kennt jeder die dicken weißen Bohnen, in Mexiko rote Bohnen und in Deutschland oder Frankreich sind z.B. Tellerlinsen oder Belugalinsen sehr beliebt.


7. Reduzieren Sie drastisch den Zuckerkonsum


Ein Blue Zones Ernährungsplan begrenzt den Verzehr von Zucker auf durchschnittlich sieben Teelöffel pro Tag, das sind umgerechnet ca. 30 Gramm. Einen derart reduzierten Zuckerkonsum kann man nur erreichen, wenn man weitestgehend auf Lebensmittel mit zugesetztem Zucker verzichtet. Der durchschnittliche Zuckerverbrauch pro Kopf und Tag in Deutschland betrug 2021/22 knapp 100 Gramm. Gerade die versteckten Zuckerrationen in vielen industriell hergestellten Lebensmittelprodukten sind tückisch und nicht förderlich für einen gesundheitsorientierten Lebensstil. Kuchen, Kekse und andere Süßigkeiten werden in den Blue Zones zu besonderen Gelegenheiten gegessen, nicht als tägliches Ritual oder Tröster in stressigen Zeiten.


8. Nüsse sind der ideale Snack für zwischendurch


Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung DGE e.V. empfiehlt „Jeden Tag eine Handvoll Nüsse“, so lautet auch der Titel eines anderen Artikels im food effects Blog für Ernährung und Gesundheit. Und auch in den Blue Zones sind Nüsse allgegenwärtig bei der Ernährung, egal in welcher Region. Die ganze Palette von Nüssen und Samen (Kerne) wird gegessen: Mandeln, Pistazien, Walnüsse, Pecannüsse, Sonnenblumen-, Kürbis- oder Sesamkerne.


9. Wenn Brot, dann Vollkorn oder Sauerteigbrot


Traditionell hergestelltes Brot aus Sauerteig oder vollem Korn ist ernährungsphysiologisch ein völlig anderes Lebensmittel als Brot aus feingemahlenem Weizenmehl. Dies hat mit den im vollen Korn enthaltenen Ballaststoffen, sekundären Pflanzenstoffen, Mineralstoffen und Vitaminen zu tun.


Sauerteigbrot enthält aufgrund der sich im Gärprozess entwickelnden Milchsäurebakterien und natürlichen Hefen sehr wenig Gluten und hat einen niedrigen glykämischen Index, lässt unseren Insulinspiegel nach Verzehr also nur gering ansteigen. Ein Ernährungsplan, der sich an der Ernährungsweise in den Blue Zones orientiert, setzt demzufolge ausschließlich auf Vollkornprodukte und Sauerteigbrot.


10. Achten Sie grundsätzlich auf Vollwertkost


Vollwertkost bedeutet, die Nahrungsmittel so naturbelassen wie möglich zu verarbeiten. Ein Vollwertessen („whole food“) besteht aus einzelnen Zutaten, die entweder roh, gekocht, gebraten, gemahlen oder fermentiert verwendet werden. Je weniger Verarbeitungsschritte das Lebensmittel dabei erfährt umso besser. Das genaue Gegenteil davon sind hochverarbeitete und industriell gefertigte Lebensmittel („processed food“) mit einer Vielzahl an Zusatzstoffen.


11. Trinken Sie hauptsächlich Wasser


In den Blue Zones wird viel Wasser getrunken, als Durstlöscher Nummer Eins sollte auch bei uns Wasser ein treuer Begleiter durch den Tag sein. Trinken Sie fünf bis acht Gläser Wasser am Tag, ungesüßten Tee und ab und zu einen Kaffee. Ein Glas Rotwein am Nachmittag oder Abend gehört in den meisten blauen Zonen ebenfalls zum unbewusst gelebten Ernährungsplan. Softdrinks oder andere zuckerhaltige Getränke sind dort Tabu.


Die Blue Zones: Was können wir daraus lernen?


So weit, so gut. Unterhaltsam und lehrreich sind die Erkenntnisse der Blue Zones Forschung auf jeden Fall, aber richtig überrascht haben uns die Ergebnisse wahrscheinlich nicht. Man könnte das ganze Thema auch abtun und sagen „Na ja, ein solches Leben, wie es die sehr alten Menschen in den Blue Zones geführt haben oder noch führen, können wir doch heutzutage gar nicht mehr leben“.


Die Rahmenbedingungen der fünf Regionen sind nicht kopierbar, und schon gar nicht über einen so langen Zeitraum. Und natürlich leben die meisten von uns nicht abgeschieden auf einer Insel oder arbeiten den ganzen Tag entspannt an der frischen Luft. Auch mit den heute nicht mehr wegzudenkenden Umwelteinflüssen wie mobile Kommunikation, Verkehr und Alltagsstress müssen wir uns irgendwie arrangieren.


Trotzdem können wir vom Verhalten und den Einstellungen der Menschen aus den blauen Zonen einiges ableiten und auch auf unser Leben und Essverhalten übertragen. Selbst kleinere Veränderungen erzielen dabei ihre Wirkung. Gesund zu leben ist ein ganzheitliches Unterfangen. Ernährung spielt dabei eine ganz wichtige Rolle.


Probieren Sie ruhig mal aus, wie es ist und wie es sich anfühlt, sich eine Woche lang mit der eigenen Ernährungsweise an den Blue Zones Ernährungsempfehlungen auszurichten. Sie bekommen sehr schnell einen Eindruck davon, was in Ihrer Lebenssituation realistisch umsetzbar ist und – viel wichtiger – was davon Ihnen persönlich guttut. Denn nur darum geht es am Ende.



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food effects│Sonja Zomer, Ganzheitliche Ernährungsberatung

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